Hochseeregatta Helgoland – Edinburgh 2007


Von Arne Peterson, SY Jan Mayen II

Ernst Garbe war wieder da! Nach seinem langen Törn mit der „Jan Mayen II“, einer Hanseat 70b in die Karibik, den Reisen in Mittel- und Nordamerika und zurück über den Nordatlantik berichtete er in unserer Haupt- und Realschule in Bad Bederkesa über seine Abenteuer. Helgoland_Edinburg_TO_2007_Seite_1_Bild_0001Noch am gleichen Abend fragte er mich, ob ich denn bereit wäre zur anstehenden Nordseewoche an der Langstreckenregatta Helgoland-Edinburgh teilzunehmen. Es gab Bedenkzeit.

Meine Sabine und ich führten ein Beratungsgespräch und ich machte mir persönliche Logistikgedanken. Schnell war die Crew zusammen. Überraschend für mich war die Teilnahme von Segelkamerad Thomas Pfeiff, was ich sehr begrüßte, vor allem weil ich mit ihm für die Wache eingeteilt war. Auch ist es immer beruhigend, bei dieser Strecke und den Unwägbarkeiten einen Arzt an Bord zu haben. Außer Lars stammen alle aus Bad Bederkesa: Skipper Ernst Garbe, Arne Peterson für Navigation/Logbuch, Lars Schmidt, Thomas Pfeiff.

Der Anschuss zur Nordseewoche beim SVC in Cuxhaven am Freitag vor Pfingsten bescherte uns ein super Wetter und gute Laune. Der Morgen darauf war verregnet. Bei einem solchen Start habe ich immer ein dumpfes unangenehmes Gefühl. Es vergeht jedoch schnell mit der anstehenden Aktivität. Um 11:55 Uhr, Vogelsand querab, Groß und Genua gesetzt Windstärke 3-4 aus N. In der Elbmündung eroberte man sich die Routine und ich gewöhnte mich an die ersten Bewegungen. Nach meiner kleinen Beratung mit Thomas hatten wir (wie immer zuvor) auf Super Pep verzichtet. Nach kurzer Zeit hörte der Regen auf, der Himmel lichtete sich.
Helgoland kam immer näher und diverse maritime Delikatessen bemächtigten sich meiner Vorstellungskraft. Im Vorhafen wurden wir gleich mit einem Schluck Sponsoren-Rum begrüßt. Das war schon mal ein guter Empfang.
Abends besuchten wir den Felsenkrug und die Bunte Kuh. Am Pfingstsonntag war Hafentag. Vieles wurde geregelt und eingekauft. Inselrundgang auf dem Oberland, Regenschutz im Knieper und dann Arnes Hummerkrabben an Bord. Besuch hatten wir auch, reichlich.

Am Pfingstmontag, 28.05.07, war Steuermannsbesprechung beim Helgoländer Wassersportclub mit Wetterbericht: Montag NW zunehmend 4, Dienstag W-NW 5, zeitweise 6, Mittwoch SW 5, SO drehend 4, Donnerstag SO-O 4, Ralf Brauner/DWD. Alles easy, nur mal wieder gegen an.

Helgoland_Edinburg_TO_2007_Seite_2_Bild_000116:00, Ablegen unter Motor, 16:30 Regattastart, 17:10 Heuler gerundet, dann verteilte sich das Feld. 49 Jachten auf den Weg nach Schottland.
Der Roundcall der Gruppe 2 fand täglich 08:20 und 20:20 Uhr auf UKW Kanal 68 statt, Leitung SY „YES“.
Die Wache von Thomas und mir war eingeteilt von 00:00 – 04:00 Uhr, 08:00 bis 12:00
Uhr, 16:00 bis 20:00 Uhr und wieder ab 00:00 Uhr. Mit NW 2-3 dann 4 bf segelten wir in die Nacht. Helgoland wollte nicht verschwinden.

Der nächste Vormittag, 29.05.07, brachte den Regen und einen Wetterbericht mit Sturm- und Starkwindgefahr. Nachmittags gab es schon mal Schauerböen mit westlichen Winden um 5-6. Es brieste weiter auf.

Nach Mitternacht am 30.05.07 drehte der Wind auf WSW mit 6-7 (zeigte der Windmesser). Weiter gegen an. Die Wellenhöhe stieg auf 2-3 Meter. Thomas und ich mussten die Genua reffen (3-mal). Dann wieder Schauerböen mit klaren 8 Windstärken (andere Yachten berichteten von 9 Beaufort). Und ein Geheul war das. Wir boxten uns vorwärts. Ich saß an der Pinne und registrierte, dass neben mir an Backbord etwas Helles Gestalt annahm….wuschsch. Da war sie, die Welle und ich wurde geduscht. In der Nacht duschte ich ein paar Mal, Thomas auch. Mit dem Regen und den Schauerböen ging es so weiter bis Vormittags. Eigentlich war ich ganz froh, dass es nachts so dunkel war und das Chaos und das Elend da draußen nicht sehen musste.

Helgoland_Edinburg_TO_2007_Seite_2_Bild_0005Dann drehte der Wind auf SW 6-7 mit Böen bis 8 bf und langsam riss der Himmel auf. Wir waren in der Nähe der Plattformen nordöstlich am Dogger Tail End. Das Schiff lief bis 7 Knoten. Die Wellenhöhe stieg auf 3 Meter mit der Neigung aus zwei Richtungen zu erscheinen. Besonderen Spaß gab es dabei im Badesaal im Vorschiff. Abends flaute der Wind ab auf 5 bf und dann um Mitternacht auf SE mit 6 bf.

Als ich irgendwann aus dem Schlafsack stieg, bekam ich nasse Socken. Ernst berichtete, dass unsere Bilgepumpe ständig lief. Wo kam das Wasser her? Die Manschette am Mast war nicht richtig gedichtet. Dann fiel ihm ein, dass er ja im Frühjahr ein neues Echolot eingebaut hatte und das alte Loch mit dem provisorischen Stopfen verschlossen hatte. Ob das noch in Ordnung war? Als er dann zur Kontrolle das Bodenbrett anhob, flog ihm der Stopfen entgegen mit der Fontäne hinterher, etwas nass. Na das Problem war gelöst.

Helgoland_Edinburg_TO_2007_Seite_3_Bild_0001Am Donnerstag erreichte uns das Hoch. Mit den nun südwestlichen Winden um 3 konnten wir natürlich gut Schottland anliegen. Morgens wurde ausgerefft. Die Geschwindigkeit betrug nun 4-5 Knoten. Nachmittags drehte der Wind auf Süd und der Spinnaker wurde gesetzt. Strahlende Sonne und blauer Himmel – herrlich. Nachts drehte der Wind auf ESE und flaute ab auf 2 bf. Die Fahrt betrug 4 Knoten. Um 01:15 sichteten Thomas und ich das Feuer von St. Abb’s Head an Backbord voraus.

Der Freitag empfing uns dann mit Nebel. Um 08:00 Uhr war der Wind fast weg und der Spinnaker musste geborgen und die Genua gesetzt werden. Bei der Schaukelei bestand nämlich die Gefahr, dass der Spi sich um das Vorstag wickelte. Langsam schlichen wir in den Firth of Forth hinein. Ständig musste das Radar beobachtet werden. Der Wind war umlaufend mal da oder weg. Wir trieben um die eigene Achse Richtung Bass Rock. Die Spannung war kaum zu ertragen.10:00 Uhr lag Bass Rock unsichtbar an Backbord und wir trieben immer weiter auf ihn zu. Ständig zunselten wir und versuchten immer wieder uns etwas Fahrt zu erhalten.
Dann gab es noch ein Problem. Ich hatte es für eine ganz tolle Idee gehalten der Hygiene wegen feuchte Tücher mit an Bord zu bringen. Jeder war begeistert. Als sich das Wetter nördlich der Dogger Bank beruhigte, wurde der Fäkaltank ab und zu von Lars und Ernst abgepumpt. Nach einer Zeit unterhielten sie sich darüber und bemerkten, dass sich bei der Pumperei eigentlich sehr wenig tat, oder eigentlich gar nichts. Ergebnis: die Pumpe musste verstopft sein. Also begann Ernst vor Bass Rock die Fäkalpumpe auseinander zu bauen. Klumpen von
„feuchte Tücher“ holte er da heraus. Nach dem Zusammenbau musste Lars nach vorne und schauen, ob was kommt – nee, da kam nichts. Also noch mal, Pumpe auseinander. Wieder feuchte Tücher. Ernst fluchte. So ein Schweinkram. Ich war stark betroffen. Die Pumpe musste also diese Tücher ansaugen, die sich dann vor die Ausgangsöffnung legten.
Plötzlich, 10:30 Uhr, schimmerte die Steile Wand vom Bass Rock durch den Nebel. Durch die Bass Tölpel hatten wir eine schöne Geräuschkulisse. Strenger Dunggeruch zog an unseren Nasen vorbei. „Mensch Arne, sollen wir nicht den Motor anschmeißen?“ Dann wären wir aus der Wertung. „Geduld, Geduld, nicht die Hoffnung verlieren. Es wird schon Wind kommen.“ Ständig starrten wir auf die Wasseroberfläche und beobachteten die Katzenpfötchen. „Da kommt wieder was. Siehst Du? Da hinten der dunkle Streifen.“ Wiederholt starrte ich auf GPS und auf die Karte. Setzte Position nach Position. „Lars! Kannst Du noch mal gucken, ob was kommt?“ rief Ernst aus dem Badesaal.
Ein Papageientaucher flatterte an uns vorbei und setzte sich im respektvollen Abstand auf die Wasseroberfläche und trieb vorbei.Helgoland_Edinburg_TO_2007_Seite_4_Bild_0001Langsam trieben wir an der Steilwand vorbei nach West. Bass Rock lag hinter uns. Backbord voraus kam der nächste Fels: Craigleth. Jetzt kam wieder Wind. Es wurde gezunselt. Weg war der Wind.
12:00 Uhr hatten wir Craigleth Backbord querab. Doch was war das für ein Kurs! Der Strom trieb uns auf Lamb Island Richtung Festland und Fidra mit seinen Felsen zu. „Arne sollten wir doch nicht den Motor…?“ „Nun wartet doch mal ab, wir haben jetzt Mittag. Da muss doch irgendeine thermische Briese entstehen. 12:35 Uhr kroch wieder ein dunkler Streifen über das Wasser….auf uns zu und erfasste uns. Wieder wurde gezunselt. Der Hauch nahm uns mit. Die Jan Mayen II reagierte auf das Steuer. Wir hielten den Atem an. „Lars! Guck noch mal eben!“ Das war Ernst. Das mit den „feuchte Tüchern“ war mir peinlich.
Der Nebel ging nicht weg. Die Briese hielt. Sie kam aus NNE mit 2 bf. Aus 1,2 Knoten wurden 3,8 Knoten. 13:00 Uhr lag Fidra Backbord querab. Ich machte mir Gedanken über den Spinnaker. „Ernst, kannst Du mal bitte hoch kommen? Ich denke wir müssen den Spi setzen.“
– „Jaha, komme gleich!“ Zur Ergänzung: 18 Mal musste er die Pumpe auseinanderbauen. Die Vollendung geschah in Granton Harbour.
Als wir den Spi auspackten zog „Racker“ an uns vorbei. Sein Spi war schon gesetzt. Fröhlich winkte die Besatzung herüber. 15:01,56 Uhr (engl. Zeit) kreuzten wir die Ziellinie von Granton Harbour. 462 Seemeilen haben wir hinter uns gebracht. Dann gab es den Besuch beim Royal Forth Yard Club – nach den Entbehrungen der letzten Tage, ein großer Event.

Helgoland_Edinburg_TO_2007_Seite_4_Bild_0002Nächsten Tag nahmen wir an der Busfahrt Richtung Highlands zum Blair Castle, nach Pitlochry und zur Blair Distillery teil. Abends wurde die Scottish Night im RFYC gefeiert mit vielen Salaten, Spanferkel, Bier und Wiskey. Ich liebe Schottland!

Am Sonntag bummelten wir durch Edinburgh. Um 18:00 Uhr ergab sich der traditionelle Empfang beim Bürgermeister in den City Chambers mit Ansprachen, kaltem Büffée und Wein. Wie in den letzten Jahren ließ es sich Klaus Plate (SY „Racker“) nicht nehmen, mit seinem Dudelsack den
„Scotsman The Brave“ und den „Veermaster“ zu spielen, den wir Gesanges mäßig stark unterstützen mussten – mit dem entsprechenden Kribbeln im Rücken. Ich kann mich erinnern, dass es diesen Empfang nicht immer gab. 1999 war ich diesbezüglich doch sehr enttäuscht.

Ernst und ich hatten noch einen ganz tollen Abend in Scotsman’s Lounge mit keltisch/schottischer Lifemusik.

Gruppensieger wurde Jens Nickel und seine Crew mit der „X-Play“. Gesamtsieger nach ORC wurde die Bremerhavener Yacht „Sunbird Dry“. Jens Kohfahl mit der „Tramontane“ erreichte den 2. Platz in seiner Gruppe und eine weitere Cuxhavener Yacht, die „Pauline“ mit Rolf Stender erhielt den 3. Platz. Für die “Jan Mayen II” reichte es für den 28. Platz im Gesamtfeld. Wir waren zufrieden. Bei mir zählt immer das Dabei sein und die Gemeinschaft.

Unser Rücktörn war schönes Segeln mit normaler Routine.

Vor Helgoland empfing uns Sommerwetter. Auf der Düne gab es das reine Karibik-Feeling, welches wir genossen. Nach Knieper, Eierkrog, Insel pur, Hummerkrabben und Planter’s Punch traten wir am Sonntag die Heimreise nach Cuxhaven an. Leider.

Auf ein nächstes mal.